From Enemies to Lovers – Das moderne „Stolz und Vorurteil“

Nach einer sehr langen Zeit habe ich mich mal wieder an einen Fantasy-Roman herangetraut, nachdem mir eine Kollegin das Buch wärmstens empfohlen hat. Obwohl Fantasy in meiner Jugend mein liebstes Genre war, driftete ich besonders während der Ausbildung und des Studiums in Richtung Klassiker und Belletristik ab (wenn ich mich nicht gerade durch die Fachliteratur kämpfte).

Deshalb waren meine Erwartungen an den New Adult-Roman „Vengeance – Academy of Dream Analysis“ von der deutschen Autorin Ruby Braun eher neutral, doch als ich einmal zu lesen begonnen hatte, erinnerte ich mich wieder daran, wie viel Spaß mir Fantasy eigentlich macht. Das liegt einerseits an dem mystischen Setting Finnlands und der wirklich spannenden Idee von luziden Träumern, die durch ihre Träume in die reale Welt eingreifen können, aber besonders an der sich von Anfang an anbahnenden Beziehung zwischen den Hauptcharakteren Nemesis und Mercy.

Obwohl Nemesis Rache für ihren toten Bruder geschworen hat und die Direktorin der Academy stürzen will, kann sie schon bald die Anziehung zwischen sich und Mercy nicht leugnen. Das Problem: Mercy ist ausgerechnet der Neffe der Direktorin. Keine gute Ausgangssituation, wenn die Frau, auf die du stehst, deine Familie zerstören will. Das kann ja nicht funktionieren…oder doch?

Obwohl die beiden Romane an sich grundverschieden sind, musste ich während des Lesens doch immer wieder an Jane Austens Klassiker „Stolz und Vorurteil“ (den ich sehr liebe) und dessen Charaktere Elizabeth Bennet und Mr. Darcy denken. Sie – eine starke Frau, die die Liebe nie großgeschrieben hat. Er – verschlossen und unfähig, sich seine Gefühle einzugestehen.

Okay, einen kleinen Unterschied gibt es doch: Während wir bei „Stolz und Vorurteil“ sehnsüchtig daraufhin fiebern, dass sich die beiden endlich mal küssen, geht es bei den modernen New-Adult-Romanen deutlich mehr zur Sache (und das wird auch sehr detailliert beschrieben).

Aber was genau heißt eigentlich „Enemies to Lovers“, und warum ist es bis heute so beliebt? Wie es der Titel schon sagt, geht es um zwei Charaktere, die sich am Anfang der Geschichte mit Abneigung und Hass begegnen (manchmal will der eine den anderen sogar um die Ecke bringen…). Häufig müssen beide jedoch gezwungener Maßen zusammenarbeiten und verbringen so Zeit miteinander, in der sie sich besser kennenlernen und öffnen müssen – ob sie nun wollen oder nicht. Ausgehend von einer oft leidenschaftlichen, körperlichen Anziehung entwickeln die Charaktere dann tiefere Gefühle für einander.

Hass und Liebe sind besonders intensive Emotionen, und der Leser verfolgt diese Beziehung besonders gespannt, da die Hoffnung auf Versöhnung so bittersüß ist. Zudem bietet diese Ausgangssituation eine Menge Möglichkeiten der Charakterentwicklung: Der Protagonist muss sich zum Beispiel irgendwann eingestehen, dass er mit Vorurteilen belastet ist, und die sich entwickelnde Beziehung geht mit einer gefühlsstarken Auseinandersetzung mit sich selbst einher. Sich irren ist menschlich, und so wird die Identifikation mit den Charakteren auch gleich viel einfacher. Außerdem will man doch immer das besonders dringend haben, was man auf keinen Fall haben darf/kann.

Und mal ganz ehrlich…Insgeheim sehnen wir uns doch alle nach der romantischen Vorstellung, dass die Liebe alle Hürden überwinden kann und sogar einen Menschen von Grund auf verändert. Wer möchte nicht der oder die Auserwählte sein, die es schafft, das der Badboy oder das Badgirl sich zum Guten ändert?

Man wird ja wohl noch träumen dürfen…

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