Conni und ihr Seniorenteller

Über Kinderserien und wie sie mit uns „wachsen“  

Wer sich wie meine Wenigkeit tagtäglich mit der mehr oder weniger Kinder- und Jugendliteratur beschäftigt und die Dötzinnen und Dötzen in regelmäßigen Abständen vor sich stehen hat, der weiß es gibt Kinderbuch-Reihen, die wurden für die Ewigkeit geschrieben.

„Harry Potter“, „Räuber Hotzenplotz“, „Pippi Langstrumpf“…. Ich glaube Sie wissen, welche ich meine. Es gibt da auch Geschichten, die werden ein paar Jahre total gehypt wie „Das magische Baumhaus“ oder „Mia and me“ und verschwinden dann zwar nicht ganz in der Versenkung, aber sie werden zu einer Fußnote im bunten Wirr-Warr der Kinderliteratur. Bei der Reihe „Die Schule der magischen Tiere“ wird sich zeigen, welche der beiden Kategorien irgendwann zutreffen wird.

Es gibt jedenfalls seitens der Verlage mehr oder weniger redliche Bestrebungen dafür zu sorgen, dass Kinder vom Krabbelkurs an bis in die Oberstufe hinein mit ihren Heldinnen und Helden aufwachsen können, ohne sich zwischendurch andere Idole suchen zu müssen.

Seit 1992 hat „Conni“ vom Zähne kriegen bis zum Studienabbruch alles hinter sich, was man so hinter sich bringen kann. Vom Bilderbuch bis zum Jugendbuch gibt es Geschichten um das fröhliche blonde Mädchen. Man kann „Conni“ in fast allen Lebenslagen begleiten und ich frage mich, wann wir den ersten „Cosy-Crime“ – Roman und dann später die „Ich will aber keinen Senoir:innenteller“- Variante auf der Bestsellerliste sehen werden.

„Conni“ für alle! Auch Millennials und Boomer werden nicht sicher sein vor Geschichten aus dem Kegelverein oder dem Kirchen-Café. Erschreckt Sie der Gedanke? Mich auch!

Ein weiteres Beispiel: erst kürzlich sind wir über den „Die ??? und der rote Kondor“ gestolpert. Die Reihe „Rocky Beach Crime“ ist für junge Leser:innen ab 12 Jahren vorgesehen. Es gibt natürlich auch weiterhin die ordinären „???“ und die „???-Kids-Variante“, die Erstlesebücher und nicht zu vergessen die Sachbücher, die sich mit den Themen Detektive, Spionage etc. auseinandersetzen.

Speziell für Mädchen gibt es im Übrigen „Die drei!!!“. Die Reihe ist noch nicht ganz so universell aufgestellt, aber ich bin mir sicher, daran wird gearbeitet. Das Potenzial und die Kundschaft sind auf jeden Fall vorhanden. Starke Frauen sind bekanntlich gefragt und, so hört man immer öfter, ausdrücklich erwünscht…

Auch der Kinoerfolg „Ostwind“ hat dafür gesorgt, dass es eine Flut von Büchern rund um den schwarzen Hengst und für (fast) alle Altersklassen gibt. Ich könnte die Aufzählungen beliebig fortsetzen und wenn Sie einen Überblick wünschen, sprechen Sie uns gerne beim nächsten Besuch an. Wir kennen uns aus im Kinderbuch-Dschungel. Versprochen!

Verstehen Sie mich nicht falsch: ich mag Kinderbücher und ich mag Reihen. Diese Serien sind gut und richtig für Kinder, wenn sie lesen lernen und sich in fremden Welten vertraut machen wollen. Das Gerüst dieser Geschichten gibt Sicherheit und sie lernen instinktiv wie Geschichten funktionieren und dass das Böse am Ende verliert (zumindest in diesen fremden Welten).

Allerdings macht mich diese Flut an Kinderbuch-Held:innen, die für alle Alterskohorten aufgepimpt werden, nachdenklich. Es sollte doch auch erlaubt sein, aus etwas rauszuwachsen und seinen Horizont zu erweitern, oder? Es ist doch schön sich irgendwann liebevoll an die Geschichten zu erinnern anstatt sich vorzustellen, wie Justus Jonas später seinen Rollator zur Reparatur bringt oder der Drache Kokosnuss seine altersbedingt ausgefallenen Schuppen aufsammelt.

Eltern zeigen sich verwirrt, wenn wir sie zu vier verschiedene Regal bringen, weil der Unterschied zwischen den unterschiedlichen Altersabstufungen oftmals nicht sofort ersichtlich ist. Andere greifen für Fünfjährige zum siebten Band von Harry Potter und verstehen nicht, warum das vielleicht keine gute Idee ist, weil „Die Filme…“

Der Markt ist unübersichtlich, auch wenn die Verlage sich durchaus bemühen, zu erklären, für welches Alter die Lektüren gedacht sind. Aber es sind ja nun mal nicht alle Expert:innen für Leseförderung oder wollen alle Bücher, die sie verschenken, selbst lesen, um dann zu entscheiden, ob man es den Kids bedenkenlos in die Hand drücken kann.

Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass Eltern auch nicht immer so genau wissen, was den Kindern gut gefällt und mit welchen Texten sie gut klarkommen. Das ist kein Vorwurf, sondern einfach eine Beobachtung aus meinem Arbeitsalltag. Kinder sind kleine Menschen, die sich entwickeln und die sich selbst ausprobieren können und müssen. Und das gilt auch fürs Lesen – palim palim. Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie oft der Satz „Ich hätte nie gedacht, dass mein Kind sowas mag!“ gehört habe. Meine Spardose wäre voll!

Der neueste Clou bei den Hörbüchern: Es gibt die Lesungen, die oftmals für ältere Kinder geeignet sind, weil halt eben nur ein Sprecher die Geschichte wortgenau vorliest und dann die Hörspiel-Varianten, die, weil sie mit verteilten Rollen und vielen Soundeffekten daherkommen, für jüngere Kinder interessant sind – ob die Geschichten dadurch verständlicher und geeignet sind, will ich da gar nicht thematisieren, denn das steht mir nicht zu. Außerdem ist jedes Kind anders aufnahmefähig etc., aber die Verwirrung bei der Auswahl nimmt nicht ab und wir können uns nur bemühen in unserem Medienkatalog alles so zu kennzeichnen, dass alles gefunden wird – egal für welches Alter.

Ich mache dann jetzt im wahrsten Sinne des Wortes Feierabend und geh mal in die Buchhandlung um die Ecke. Vielleicht gibt es da ja schon „Die Pizzabande (die Millennials unter uns erinnern sich) auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau“.

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